Alte Negative digitalisieren - mit dem Novoflex Balgen







Einführung

Wer ist nicht schon auf die Idee gekommen, seine alten Schätze aus der prä-digitalen Ära irgendwie auf seinen Computer zu bekommen. Entweder um sie noch bearbeiten zu können oder einfach um sie sich auf dem großen LCD-Monitor oder auch auf dem riesigen Flat-Screen-TV anzuschauen.

Erster Gedanke! Einscannen. Also ein Scanner müßte her. Wer sich aber mit dem Thema ein wenig beschäftigt, merkt schnell, mit einem normalen Flachbettscanner kommt man nicht weit, die Auflösung reicht nicht aus.
Aber da gibt's doch bestimmt was Spezielles für Negative und Dias. Ja gibt es - zu Preisen, die irgendwo in der Klasse zwischen einem Vollformatgehäuse und einem Kleinwagen liegen.
Außerdem geht das Scannen ätzend langsam - das kann nicht die Lösung sein.
Aber warum in die Ferne schweifen - eigentlich hat man doch schon ein hochauflösendes Abbildungs-Instrument zu Hause, mit 12, 16, 24 oder noch mehr MegaPixel.

Was man definitiv noch dazu braucht ist ein gutes Makro-Objektiv und irgendein Gestell, das sicherstellt, daß meine Sensorebene auch parallel zur Filmebene ist. Und noch etwas, was mein altes Negativ auch schön gleichmäßig durchleuchten kann.

Also: Makro-Objektiv, Balgengerät mit Ständer und ein iPad. Meine Ausstattung: Makro-Objektiv Novoflexar 105mm 4.0, Balgengerät mit Tischchen von Novoflex und noch ein zusätzliches handgemachtes Gestell. Alles locker über 30 Jahre alt. Zur Beleuchtung ein ipad.

Gerade bei einem Makro-Objektiv lohnt es sich, nach guten alten manuell fokussierenden Objektiven von z.B. Minolta oder Novoflex Ausschau zu halten. Die Objektive sind abgeblendet auf 5.6 oder 8 wirklich superscharf. Für ein neues müssen sie mit ca. 800 Euro rechnen. Für ein altes ca. 60 bis 100 Euro.

Novoflex Balgen mit Panasonic GH4


Umsetzung


Das ganze sieht bei mir dann so aus: Ein PC-Glastisch mit mehreren Glasböden. Oben das Negativ auf einem kleinen Rahmen, links und rechts etwas beschwert. Eine Ebene darunter das iPad mit einer App mit weißem Hintergrund (z.B. Safari - alle Webseiten geschlossen). Ebenfalls auf der oberen Glaspatte steht mein Gestell mit Makroobjektiv, Balgen und Kamera.

Das zweite Gestell ist bei mir notwendig, um mit dem 105mm Makro den richtigen Abstand zur richtigen Größe zu erhalten. Der richtige Abstand mit dem dazu passenden Abbildungsmaßstab hängt vom Objektiv, dem Balgenauszug und dem Sensorformat ab.

Ich benutze meine Panasonic GH4 mit mFT-Sensor. Dafür brauche ich einen Vergrößerungsmaßstab von 0.5. Wäre es eine Vollformatkamera bräuchte ich 1:1 (für Kleinbildnegativ 24x36). Entsprechend des benötigen Vergrößerungsmaßstabes, ergibt sich in Abhängigkeit von Objektiv/Balgenauszug der notwendige Abstand.
Das Ganze geht auch ohne Balgen mit z.B. dem 50mm-Makro von Minolta. Ohne Zwischenring schafft es den Abbildungsmaßstab 0,5, mit Zwischenring 1:1. Warum nehme ich also das komplizierte Balgengerät mit dem Gestell?
Dieser Aufbau gewährt mir zum einen, daß die Sensorfläche wirklich parallel zu Negativebene steht, und zum anderen, ist die Feineinstellung des Abstandes in Kombination mit dem Scharfstellen wirklich sehr, sehr komfortabel. Wenn man sich erstmal dran gewöhnt hat, will man es nicht mehr missen.

Fertig ist der Aufbau: iPad und Kamera anschalten, niedrigste ISO wählen, auf RAW-Format stellen, Negativ, matte Seite nach oben plazieren, Umgebungslicht dimmen, iPad auf hell stellen. Am Balgen Vergrößerungsmaßstab und Schärfe einstellen, Weißabgleich machen. Bei einem SW-Negativ hat man quasi das Negativ als durchleuchtete Graukarte - sehr komfortabel. Selbstauslöser oder Fernauslöser - fertig!







Nachbearbeitung


Fast fertig! Jetzt muß man das Bild noch im Computer bearbeiten.
Im RAW-Konverter Ihrer Wahl das Bild Spiegeln und vom Negativ ins Positiv umkehren. Bei Lightroom (Version 5) geht das zum Beispiel mit dem Kurvenwerkzeug. Ich drehe im Graphen einfach die Linie um. Also anstatt von links unten nach rechts oben, von links oben nach rechts unten. Ab sofort funktionieren dann die meisten Regler umgekehrt - man gewöhnt sich jedoch schnell daran.

Noch schnell auf Schwarz-Weiß umschalten und jetzt sieht man das Positiv. Nun sieht man auch ob es wirklich scharf ist und ob man beim Abfotografieren sauber gearbeitet hat.
Das Positiv ist noch relativ kontrastarm, d.h. Schwarz und Weißpunkt (Achtung jetzt umgedreht!) müssen noch angepaßt werden. Jetzt kann man noch etwas am Belichtungsregler und an der Schattenaufhellung (das ist jetzt der Highlight-Regler) arbeiten. Vielleicht noch ein bißchen mehr Klarheit und.....

Wow! Wenn ich dran denke, wie ich vor 30 Jahren in der Dunkelkammer gestanden bin, um Blatt nach Blatt zu verbrauchen, bis ich die richtige Belichtung und den richtigen Kontrast (Gradationswandelpapier) hatte. Heute sind es ein paar Regler und ich kann das Bild ganz exakt so abstimmen, wie ich es haben möchte und ich seh' das Ganze auch noch in Echtzeit. Wow!



Erste Ergebnisse und Diskussion

Hier mein erstes Bild. Das Novoflexar liefert beste Ergebnisse bei Blende 8.

Im Original bei 1:1 sieht man deutlich das Korn des Filmes, obwohl dieser Film ein Afgapan 25 in Rodinal etwickelt ist. Einer der feinkörnigsten Filme der damaligen Zeit. Aber halt! Das ist vielleicht gar nicht das Korn, das ist das Rauschen meiner digitalen Kamera. Die hellen Flächen im Positiv sind die Dunklen auf dem Negativ - und wir wissen: in den dunklen Bereichen ist das Rauschen deutlich sichtbar (Signalabstand zum Rauschniveau gering).

Wie krieg ich jetzt das Rauschen los? Wenn ich den Rauschfilter reindrehe, verliere ich ja an Details. Stapeln ist die Antwort! Also das Bild mehrmals abfotografieren und in Photoshop, Gimp, Affinity o.ä. stapeln und mitteln. Der ganze Vorgang wird z.B. auf Cambridge in Colors gut beschrieben. Damit bekommt man das Rauschen deutlich runter. Der Rest ist dann noch ein wenig Rauschen und das Korn. Mit 7 gestapelten Bildern sieht das dann so aus:





Ausschnitte: Einzelbild               "gestackte" Version    

altes Schwarzweißbild Zugeinfahrt in Bahnhof Renningen
"gestapelte" Version - Klick aufs Bild öffnet Originalgröße







Reichen 16 MegaPixel?

Und dann nagt die Frage an einem: Wäre in dem Negativ noch mehr an Details drin gewesen? Reichen überhaupt die 16 MPixel der GH4. Also ein kleiner Test: Ich nehme nicht das ganze Negativ auf, ich gehe im Vergrößerungsmaßstab um ca. Faktor 3 höher. Sprich ich montiere mein vorzügliches 50mm-Minolta-Makro an das Balgengerät.
Rechts kann man das Ergebnis sehen. Klicken Sie auf das Bild, um das Original zu laden. Auch dieses Bild wurde übrigens mittels Stapeln entrauscht. Was man sieht: sehr viel Korn. Also wir sind jetzt schon, was den Vergrößerungsmaßstab angeht, wirklich dran. Was man nicht sieht: mehr Details. Es ist zwar alles größer - aber mehr Informationen sind nicht drin.
Ich habe die Bilder lange verglichen, die einzige Stelle wo etwas mehr drin ist, ist die halbverdeckte Bahnhofsuhr in der Mitte - aber das können auch Seiteneffekte durch die Schärfungen in Lightroom sein. D.h. für die allermeisten meiner Bilder von damals reichen meine 16 MPixel aus.

Zugeinfahrt Bahnhof Renningen vegroessert







Wie viele Details sind ein einem 24x36mm Film?

Der nächste Gedankengang: Kann man nun generell sagen, daß man mit ca. 16 MPixel zumindest, was die Auflösequalität angeht, gleichauf oder besser ist als die feinkörnigen Filme von früher?
Nein! Solche Ansagen lassen sich hier nicht treffen. Das Bild wurde zwar mit dem ausgezeichneten 85mm-Minolta-Rokkor und natürlich vom Stativ aus gemacht, aber ich kann mich nicht mehr an die Blende erinnern - ich vermute Blende 11. Also nicht die beste Blende. Zum Gegentest noch ein zweites Bild - nichts Besonderes - aber zum Testen geeignet. Auch hier das gleiche Ergebnis. Es sind nicht mehr Details drin. Dieses Bild wurde aus der Hand geschossen und die Blende ist ebenfalls unbekannt.
Wenn ich mal viel Zeit und Lust habe, schnappe ich mir vielleicht doch noch mal meine alte Minolta X700, kaufe mir einen feinkörnigen Film, wenn's sowas noch gibt, und teste.....

Bus mit einsteigenden Passagieren




Wer nicht bis zum St. Nimmerleinstag warten will, Ming Thein kommt auf seinen Blog Film Diaries zu folgendem Ergebnis:

"The last time I shot/scanned seriously, I came to the conclusion that there was at most somewhere between 8 and 10 MP of equivalent resolution in a good negative or slide – I don’t think that’s changed; I’m just not seeing any more of that regardless of the lens used."
Ich übersetze sinngemäß:
Das letzte Mal als ich ernsthaft fotografiert/gescannt habe, kam ich zu dem Schluß, daß maximal zwischen 8 und 10 MegaPixel equivalenter Auflösung in einem guten Negativ oder Dia sind. Ich denke, das hat sich nicht geändert. I sehe einfach nicht mehr, egal welches Objektiv ich benütze .

Anmerkung von mir: Was Ming Thein als scannen bezeichnet ist bei ihm ein sehr gutes Makro-Objektiv und eine Nikon D800E. Später geht er mehr und mehr in seinen Filmtagebüchern auf Mittelformat über.



Nur Schwarz-Weiß?


Der gesamte Artikel hier rankt sich um SW-Negative. Der ganze Prozeß funktioniert aber im Prinzip ebenso mit Dia- und Farbnegativ-Filmen. Bei Diafilmen dürfte es kein großes Problem geben. Ich lege Ihnen nur den wichtigen Weißabgleich in der Kamera ans Herz und das Fotografieren im RAW-Format, damit entsprechende Feinanpassungen der Farbtemperatur im RAW-Konverter vorgenommen werden können. Farbnegative sind etwas schwieriger, da man hier die orangen Filterschichten herausrechnen und weitere Farbanpassungen durchziehen muß. Hier muß man jede Grundfarbe in Kurven einzeln anpassen. Vielleicht packt es mich ja mal...